TASCAM Portastudio 414 MKIIHomerecording zwischen den Epochen:

Es gab eine Zeit, da war das Aufnehmen von Musik großen Studios mit extrem teurem Equipment vorbehalten. A&Rs waren die Torwächter zum Tonstudio, und selbst eine verrauschte, schepprige Demoaufnahme konnte eine Band ein kleines Vermögen kosten. Heute kann jeder Musiker, der einen Rechner zu Hause hat, nach ein paar zumutbaren Investitionen und einer gewissen Einarbeitungszeit kristallklare Arrangements mit dutzenden von Spuren und hochwertigen Effekten produzieren.
Angesichts dieses tontechnischen Quantensprungs wird oft vergessen, dass es eine Zwischenphase gab. In den 80er und 90er Jahren war die digitale Revolution noch nicht so weit, Consumer-fähige Aufnahmetechnik bereitzustellen. Doch der Markt für Homerecording war da, und die altbewährte Analogtechnik war immer leistungsfähiger und günstiger geworden. Aus genau dieser „Zwischenzeit“ stammt eine Gerätefamilie, die es Bands und Solokünstlern erstmals ermöglichte, zu Hause oder im Proberaum für kleines Geld und ohne Tontechnik-Diplom amtliche Aufnahmen selbst zu produzieren: tragbare Vierspur-Kassettenrekorder!

Vier fucking Spuren, Alter!

TASCAM, die US-Niederlassung der japanischen TEAC, gehörte zu dem Pionieren auf diesem Markt. Nachdem TEAC 1972 bereits einen Consumer-4-Spur-Recorder auf Basis von 1/4-Zoll-Tape herausgebracht hatte, der unter 1000$ kostete, senkte TASCAM mit der 1979 eingeführten Portastudio-Reihe die Zugangshürden noch einmal kräftig. Statt des teuren 1/4-Zoll-Tapes nutzen die Portastudios handelsübliche Kompakt-Kassetten als Aufnahmemedium.
Damit standen ganz normalen, klassischerweise finanziell unterausgestatteten Musikern ohne Plattenvertrag plötzlich Klangwelten offen, für die die Beatles 1967 noch ins Abbey Road Studio mussten. Vier Spuren: Woah! Das bedeutete, dass plötzlich für jedes Instrument in der klassischen Besetzung eine eigene Spur zur Verfügung stand: Gesang, Gitarre, Bass, Schlagzeug.

Ping-Pong Recording

Tatsächlich kann das TASCAM Portastudio effektiv sogar weit mehr als vier Spuren aufnehmen, denn mehrere Spuren können auf eine zusammengelegt werden. Hat man drei Spuren aufgenommen, können diese gemeinsam auf die vierte aufgenommen werden – und schon sind wieder drei Spuren frei. Da zusammengelegte Spuren wiederum miteinander vereinigt werden können, gehen da theoretisch ganz schön viele Aufnahmen auf faktische vier Spuren. Begrenzt wird dieses Verfahren allerdings dadurch, dass sich bei jedem Ping-Pong-Schritt Rauschen aufaddiert.
Trotzdem: Die Portastudios ermöglichten zum Budget-Preis plötzlich vielschichtige Mehrspur-Aufnahmen, die vorher gesignten Künstlern vorbehalten waren, und lösten einen regelrechten DIY-Boom aus, der die Hochblüte der Alternative-Musik in den 90ern mit ermöglichte. Wir schauen uns das Portastudio 414 MKII, die leicht verbesserte Version den Originals, mal näher an.

Die Ausstattung

Und das kann das Gerät: Jede der vier Spuren hat einen Fader, einen zwei-Band-EQ  (Höhen & Bass), zwei Effekt-Sends für das Einschleifen externer Effekte sowie einen Panorama-Regler. Als Eingänge stehen zwei XLR-Mikro-Ins, normale Klinken-Eingänge und ein hochohmiger Gitarren-In zur Verfügung. Zusätzlich zu den vier Einzelspuren gibt es noch zwei reduzierte Stereo-Kanäle, auf welche die Send-Effekte geschickt werden können. Alternativ kann beim Ausspielen des Mixes über diese Stereokanäle noch ein Instrument, z.B. ein Synthesizer, hinzugefügt werden. Es gibt einen Master-Fader, einen Drehregler für die Lautstärkeregelung des Kopfhörers, eine an- und abschaltbare DBX Rauschunterdrückung sowie ein „Zero Return“-Schaltfeld, mit dessen Hilfe man zu einem vorher festgelegten Punkt in der Aufnahme zurückspulen kann. Witzige Funktion: Mit dem „Pitch Control“-Drehregler kann die Bandgeschwindigkeit – und damit die Tonhöhe – variiert werden. Der Band-Steuerungsbereich unterscheidet sich nicht von einem normalen Kassettenrekorder: Record, Play, Rewind, Fast Forward, Stop und Pause. That’s it.

Und so klingt das Ganze:

Das hier ist eine Instrumentalaufnahme, die ich mit dem TASCAM Portastudio 414 MKII gemacht habe, um den Klang und die Funktionsweise zu demonstrieren.

Die Aufnahmen liefen so ab:

TASCAM Westerngitarre1. Westerngitarre, mikrofoniert mit SM57 auf Spur 1





TASCAM Tele2. Telecaster über Hiwatt Bulldog 30 Verstärker, mikrofoniert mit SM57 auf Spur 2





TASCAM Percussion3. Percussions (Shaker & Mini-Becken), mikrofoniert mit SM57 auf Spur 3





4. Ping-Pong! Die Spuren 1-3 werden auf Spur 4 zusammengefasst


TASCAM Westerngitarre5. Noch eine Westerngitarre, damit es ein breiteres Stereobild gibt, wieder mit dem SM57 auf Spur 1





TASCAM E-Gitarre Big Muff6. Humbucker-E-Gitarre mit Big-Muff-Fuzz-Zerre direkt mit Line-In über die Gitarrenbuchse auf Spur 2





7. Nochmal Ping-Pong: Spuren 1 und 2 landen auf Spur 3

TASCAM Bass8. Bass via Gitarren-In auf Spur 1





Fertig! Jetzt wäre auf Spur 2 sogar noch Platz für Gesang gewesen, wenn ich hätte singen wollen.

9. Als Effekt habe ich via Send einen Gitarren-Bodeneffekt-Hall eingebunden, um dem Mix ein bisschen, äh, Hall zu geben.

10. Mixdown: Spur 4 (Westerngitarre 1, Telecaster, Percussion) nach halbrechts, Spur 3 (Westerngitarre 2, Big-Muff-E-Gitarre) nach links, Spur 1 (Bass) in die Stereomitte. Aus Spaß und um den Effekt zu demonstrieren, habe ich beim Mixdown während des letzten Ausklangs den Pitch-Controller runtergedreht. Brääääööööoo.o..o..o…

11. Mastern: Und fertig! Das Ergebnis habe ich via Stereo-Cinch auf meinen Rechner überspielt und (zugegeben) einen digitalen Brickwall-Limiter drübergejagt, um ein bisschen mehr Lautheit zu bekommen. Sonst nix.

Die analoge Differenz

Und, hört Ihr den Unterschied? Zunächst einmal ist da das Rauschen. Bei analogen Medien unvermeidbar, den Tontechnikern seinerzeit verhasst, sehen manche in ihm auch eine Art Kitt, der die einzelnen Elemente eines Mixes zu einem Ganzen zusammenfügt. Nostalgische Assoziationen liegen, ähnlich wie beim Knistern von Vinyl, natürlich auch nahe.
Weniger eindeutig hörbar, aber für den klassischen Tape-Klang zentral, sind Frequenzschankungen. Bei Bandaufnahmen wird das Medium über mechanische Spulen bewegt, die nicht 100% gleichmäßig arbeiten – besonders bei günstigen Geräten. Das führt zu leichten Geschwindigkeits- und damit zu Tonhöhenschwankungen. Je nach Geschwindigkeit nennen sich diese Frequenzschwankungen „Flutter“ (schnell) oder „Wow“ (langsamer). Wenn mich meine Ohren nicht täuschen, haben wir es bei der Demoaufnahme mit einem sanften Fall von „Wow“ zu tun. Auch dieser Effekt ist natürlich erstmal ein Manko. Aber er dürfte auch viel dazu beigetragen haben, dass analog-Klang meistens als „wärmer“ wahrgenommen wird als die häufig mit „Kälte“ assoziierten digitalen Aufnahmen. „Wow“ ist ja letztlich nichts anderes als eine Art unfreiwilliger Chorus, und kein anderer Effekt ist so eindeutig mit Wärme assoziiert wie dieser.

Musikalische Momente

Klar, aus einer bestimmten Perspektive ist es Quatsch, heute noch auf dem veralteten Medium Kassette aufzunehmen. Das Ergebnis wird nie so amtlich klingen wie eine digitale Produktion. Aber ich kann trotzdem jedem Musiker empfehlen, es einmal mit dieser Technik zu versuchen. Sowohl während als auch nach dem Aufnehmen hat dieses Medium etwas, das in der digitalen Ära selten geworden ist: Es konserviert musikalische Momente. Hier kann so gut wie nicht rumgeschnippselt und sonstwie nachkorrigiert werden. Tape kann auch nicht beliebig oft überspielt werden, weil sonst „Geisterklänge“ alter Spuren zurückbleiben. Es ist eine manchmal schmerzhafte, aber auch irgendwie erlösende Erfahrung, wenn das, was musikalisch passiert ist, nunmal passiert und auf Band gebannt ist. Aufnahmen und Live-Performance rücken näher aneinander. Das Ergebnis ist, im Idealfall, die Aura des einmaligen Moments (auch wenn das jetzt kitschig klingt).
Diese Erfahrung machte 1982 auch Bruce Springsteen: Die Demoaufnahmen für sein Album „Nebraska“ hatte er auf einem Portastudio gemacht. Daraufhin wurden die Lieder mit einigem Produktionsaufwand in state-of-the-art-Studioaufnahmen überführt. Und am Ende entschied sich Springsteen gegen die Studioaufnahmen – und veröffentlichte die 4-Spur-Demos als Album.
Man kann jetzt esoterisch über die „Seele“ von direkt aufgenommener Musik schwadronieren und Walter Benjamins Begriff des „Auratischen“ bemühen, oder man kann einfach mal Musik mit den beschränkten Mitteln eines 4-Spur-Rekorders machen und es selber spüren. Ich empfehle Zweiteres.